Nachlass des Bühnenbildners und Opernregisseurs Karl-Ernst Herrmann (1936-2018)



Die grafische Sammlung des Deutschen Theatermuseums erhält mit dem Nachlass von Bühnen- und Kostümbildner Karl-Ernst Herrmann (1936-2018) einen bedeutenden Zuwachs. Kunstminister Markus Blume betont: „Karl-Ernst Herrmann war in seinem Metier schon zu Lebzeiten eine Legende: Mit dem Erwerb seines Nachlasses kommt das Erbe eines für die deutsche Theaterlandschaft prägenden Bühnenbildners nach München. Ich freue mich sehr, dass mit den visionären Entwürfen Herrmanns die bedeutsame grafische Sammlung des Deutschen Theatermuseums um ein weiteres Juwel wächst.“ Der Nachlass umfasst ca. 1600 graphische Blätter, vor allem Bühnenentwürfe, schematische Zeichnungen und Kostümentwürfe und deckt über 60 Theaterproduktionen von prägenden Regisseuren des europäischen Sprech- und Musiktheaters, darunter Peter Stein, Claus Peymann und Luc Bondy ab. Die in seinem Nachlass befindlichen szenografischen Arbeiten stammen aus den Jahren 1972 bis 2018 und umfassen damit die gesamte Schaffensperiode Karl-Ernst Herrmanns. „Die von ihm zeichnerisch minutiös gearbeiteten Blätter dokumentieren beispielhaft grundlegende Entwicklungen der Theaterästhetik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert“, freut sich Museumsdirektorin Dr. Dorothea Volz über den Erwerb.

Karl-Ernst Herrmann wird 1936 in Neukirch in der Lausitz geboren. In den 1950er-Jahren beginnt er eine Ausbildung zum Bühnenbildner in Berlin. Zunächst assistiert er in Ulm dem Anfang der 1960er ästhetisch taktgebenden Bühnenbildner Wilfried Minks. Geprägt von der 68er-Bewegung und ihrem Wirken in die Kulturinstitutionen hinein wird Karl-Ernst Herrmann zum aktiven Gestaltgeber eines an den großen Themen der Zeit orientierten Theaters. Er wird Mitbegründer der Schaubühne in Berlin, deren Bühnenästhetik lange seine Handschrift trägt. Dem Intendanten Claus Peymann eng verbunden, folgt er ihm an weitere wichtige Bühnen im deutschsprachigen Raum. Aber auch weit über diese Zusammenarbeit hinausgehend, sind seine Bühnenbilder nach 1980 in Salzburg und Wien ebenso wie in Bochum, Stuttgart und am Berliner Ensemble in allen drei Sparten (Oper, Schauspiel und Ballett) präsent. Während Karl-Ernst Herrmann in den Anfangsjahren gleichermaßen für Sprech- und Musiktheater arbeitet, liegt der Schwerpunkt des Spätwerkes zunehmend auf der Oper. Hier beginnt er seine Karriere als Regisseur. Gemeinsam mit seiner Frau Ursel Herrmann inszeniert er an den größten europäischen Opernhäusern und übernimmt vielfach zugleich die Ausstattung.

Eine enge Verbindung nach München besteht ab 1994: Bis 2002 hat er in der Bayerischen Landeshauptstadt, gemeinsam mit seiner Frau Ursel Herrmann, die Professur für Bühnenbild an der Akademie der Bildenden Künste inne. Er ergänzt die Liste der in München lehrenden Bühnenbildner wie bspw. Emil Preetorius und Ekkehard Grübler, deren Nachlässe sich ebenfalls im Deutschen Theatermuseum befinden. Dr. Susanne de Ponte, Leiterin der grafischen Sammlung, sieht eine herausragende Singularität in der eigenwilligen zeichnerischen Handschrift von Karl-Ernst Hermann. „Seine Skizzen sind akribisch gearbeitet und zeigen einzelne, oft kleinste realistische Details mit teils ikonisch gewordenen Elementen wie beispielsweise der hyperrealistische Gullideckel aus der Inszenierung von „Richard III.“ von 1987 am Burgtheater Wien.“ Die Zeichnungen sind, so de Ponte, geradezu uneitel, Schema- und Funktionszeichnung und damit beispielhaft für den ausstatterischen Entstehungsprozess. Sie zeigen in ihrer Reduktion eine Abkehr von repräsentativer Opulenz und stellen sich programmatisch in den Dienst der Inszenierung.

Die testamentarisch gegründete Stiftung des Bühnenbildners „Bei Herrmann zwischen den Deichen“, die den Nachlass an das Deutsche Theatermuseum übergeben hat, unterstützt den künstlerischen Nachwuchs durch ein Residenzprogramm. „Wir wünschen uns auch eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Arbeit Karl-Ernst Herrmanns. Das Deutsche Theatermuseum wird die Stipendiatinnen und Stipendiaten unterstützen, indem der Nachlass zugänglich gemacht wird. Dazu gehört auch, dass der Nachlass in den Sonderausstellungen des Deutschen Theatermuseums präsentiert wird“, betont Stiftungsvorsitzende Martina Brinkhaus. Bereits in der aktuellen Sonderausstellung „Ruth Walz. Doppelbelichtung“ (12.10.23-4.2.24) sind Inszenierungsfotografien zu „Richard III.“ mit Originalentwürfen zu sehen.

Der Erwerb des Nachlasses von Karl-Ernst Herrmann stellt eine wichtige Erweiterung der Bestände der grafischen Sammlung des Deutschen Theatermuseums für das Bühnenbild im 20. Jahrhundert dar. Bereits im DTM bewahrt werden Vor- und Nachlässe wichtiger Bühnengestalter wie Caspar Neher, Helmut Jürgens, Jürgen Rose und Karl Kneidl.


Bilder:


Szenischer Bühnenentwurf, 1976, Schaubühne am Halleschen Ufer Berlin, Der Untergang des Egoisten Fatzer (Bertolt Brecht), R: Frank-Patrick Steckel, Bü: Karl-Ernst Herrmann (DTM: ID 265520)

Bühnenbildskizzen, 1976, Schaubühne am Halleschen Ufer Berlin, Shakespeare’s Memory I + II (Shakespeare), R: Peter Stein; Bü: Karl-Ernst Herrmann. 3 Szenenskizzen (DTM: ID 265499)

Szenische Entwürfe im Skizzenbuch, 1986, La Monnaie Brüssel, La finta giardiniera (Wolfgang Amadeus Mozart), R: Ursel und Karl-Ernst Herrmann, Bü + Ko: Karl-Ernst Herrmann (DTM, ID 265513)

Szenischer Bühnenentwurf, 1987, Burgtheater Wien, Richard III. (William Shakespeare), R: Claus Peymann, Bü: Karl-Ernst Herrmann (DTM: ID 265494)

Szenenfoto ©DTM, Archiv Abisag Tüllmann, 1987, Burgtheater, Wien, Richard III. (William Shakespeare), R: Claus Peymann, Bü: Karl-Ernst Herrmann, Ko: Ursula Renzenbrink (DTM: ID 265533)

Figurinenentwurf, 1988, Burgtheater Wien, Heldenplatz (Thomas Bernhard), R: Claus Peymann, Bü + Ko : Karl-Ernst Herrmann (DTM: ID 265510)

Bühnenentwurf, 1994, Burgtheater Wien, Raststätte oder sie machens Alle (Elfriede Jelinek), R: Claus Peymann, Bü + Ko : Karl-Ernst Herrmann (DTM: ID 265505)

Szenischer Bühnenentwurf, 1994, Salzburger Festspiele, Ombra felice (Wolfgang Amadeus Mozart), R: Ursel und Karl-Ernst Herrmann, Bü + Ko: Karl-Ernst Herrmann (DTM: ID 265521)

Zwei szenische Bühnenentwürfe, 1995, La Monnaie Brüssel, Il Turco in Italia (Gioachino Rossini), R: Ursel und Karl-Ernst Herrmann, Bü + Ko: Karl-Ernst Herrmann (DTM: ID 265514 u. ID 265515)

Zwei Bühnenentwürfe, 2012, Berliner Ensemble im Theater am Schiffbauerdamm Berlin, Dantons Tod (Georg Büchner), R: Claus Peymann, Bü: Karl-Ernst Herrmann (DTM: ID 265487 u ID 265492)