Mit Hilfe von Fördermitteln
der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Kulturstiftung der Länder und des
Freistaats Bayern konnte das Deutsche Theatermuseum den künstlerischen Nachlass
der Schauspielerin Marianne Hoppe (1909-2002) aus dem Privatbesitz ihres Sohnes
Benedikt Hoppe erwerben. Aus diesem Anlass lud das Deutsche Theatermuseum am
11.4.2016 zu einer Presse-Informationsveranstaltung ein, bei der die Förderer
des Ankaufs sowie das Deutsche Theatermuseum über diesen Nachlass und die
Beweggründe zum Ankauf referierten. Auch eine für diesen Tag zusammengestellte
Vitrinen-Ausstellung mit ausgewählten Objekten aus dem Nachlass war zu sehen.
Bereits zu ihren Lebzeiten
galt die hochbegabte, 1909 in Rostock geborene Bühnen- und Leinwand-Schönheit
als Legende. Sieben Jahrzehnte und durch drei Staatsformen hindurch faszinierte
sie in vielen tragenden klassischen und modernen Theaterrollen sowie auch als Filmschauspielerin
ihr Publikum. Zielstrebig verfolgte die junge Handelsschülerin und Gutsbesitzerstochter
aus dem brandenburgischen Felsenhagen ihr eigentliches Ziel, Schauspielerin zu
werden. Ende 1927 nahm sie bei Berthold Held, dem Leiter der Schauspielschule an
Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin, Privatunterricht, sowie auch bei
den Schauspielerinnen Lucie Höflich und Ilka Grüning. Anfang des Jahres 1928
stand sie schon in kleinen Rollen gemeinsam mit den ersten Schauspielerinnen und
Schauspielern des Reinhardt-Ensembles auf der Bühne. Auch die Presse wurde auf sie
aufmerksam, besonders 1930 in dem Stück Die
liebe Feindin von A.P. Antoine unter der Regie von Gustaf Gründgens, ihrem späteren
Ehemann, Schauspielpartner, Regisseur und Intendanten der Preußischen
Staatstheater in Berlin, an die er sie zur Spielzeit 1935/36 engagierte. Der
beginnenden Filmkarriere von Marianne Hoppe, die nach ihrem Filmdebüt in Der Judas von Tirol (1933) ein Jahr
später als Elke Volkerts in der Literaturverfilmung Der Schimmelreiter über Nacht berühmt wurde, folgte nun eine
Ausnahmekarriere am ersten Theater des Reichs. Als Gretchen, Emilia Galotti,
Jungfrau von Orleans, Antigone oder Leonore begeisterte sie ihr Publikum. Gleichzeitig
lag ihr in Filmen wie Capriolen, Eine Frau ohne Bedeutung, in Gustaf
Gründgens’ Effi-Briest-Adaption Der Schritt vom Wege, in Romanze in Moll und Auf Wiedersehen Fransziska! ein Millionenpublikum zu Füßen.
Aller Glanz hatte allerdings
auch eine Kehrseite. Dadurch, dass Marianne Hoppe 1936 den Generalintendanten
der unter der besonderen Obhut von Hermann Göring stehenden Preußischen
Staatstheater geheiratet hat, war auch sie in den Fokus der erhöhten
Aufmerksamkeit des nationalsozialistischen Terrorregimes gerückt. Zudem wurde
ihre Ehe mit Gustaf Gründgens, der in Klaus Manns 1936 (!) in Amsterdam
erschienenem „Schlüsselroman“ Mephisto
als Günstling des Regimes diffamiert wurde, hinter vorgehaltener Hand als Schutzehe
abgetan, nur deshalb geschlossen, um den als homosexuell bekannten Theatermann
vor den Verfolgungen der Nationalsozialisten zu schützen. Der Verdacht der
Scheinehe lag durchaus nahe, gingen am 5. Mai 1936 doch Angriffe wegen der
Homosexualität von Gustaf Gründgens im Völkischen Beobachter voraus, weshalb dieser
mit dem festen Entschluss zur Emigration am gleichen Tag in die Schweiz floh. Auf
ausdrücklichen Wunsch Görings, der ihn am 6. Mai zum Preußischen Staatsrat
ernannte, kehrte er jedoch zurück. Die Möglichkeit, dass es sich bei der
Beziehung von Marianne Hoppe und Gustaf Gründgens – beide waren übrigens
bisexuell – dennoch um eine erotische Liebesbeziehung handeln könnte, ist auf
breiter öffentlicher Ebene bis in die jüngste Vergangenheit hinein ausgeschlossen
worden. Vom Gegenteil sprechen aber die vielen im Nachlass von Marianne Hoppe vorhandenen
Zettel und Briefe von Gustaf Gründgens an seine Frau in den ersten Jahren ihrer
Ehe. Mit Gustaf Gründgens blieb Marianne Hoppe, die nach dem Krieg mit Therese
Giehse und in den Siebzigerjahren mit Anni Mewes liiert war, auch nach der Ehescheidung
im Mai 1946 bis zu dessen Tod im Oktober 1963 in enger Verbindung.
Nach 1945 begann die zweite,
fünfzig Jahre andauernde Karriere der Marianne Hoppe, als Gründgens die physisch
und psychisch Erschöpfte 1947 ans Theater zurückholte, und zwar an das Neue
Theater in Düsseldorf, dem späteren Düsseldorfer Schauspielhaus, dessen neuer
Intendant er war. Zusammen mit ihm als Schauspieler und Regisseur spielte sie
im November 1947 in der deutschen Erstaufführung von Sartres Fliegen, im Januar 1949 in Goethes Tasso und 1950 in der deutschsprachigen
Erstaufführung von T.S. Eliots Cocktail
Party. Parallel zu ihren Düsseldorfer Gastrollen fand sie ab 1950 in Berlin
an den Staatlichen Schauspielbühnen für sich ein neues Rollenfach: das der
„Knacksdamen“, womit sie flapsig die psychisch zerbrochenen Frauen in den modernen
amerikanischen Dramen von Tennessee Williams, Eugene O´Neill und William
Faulkner meinte.
Ein großes Spektrum an
Rollenaufgaben auf allen namhaften deutschsprachigen Bühnen boten ihr auch die
zeitgenössischen Stücke von Jean Giraudoux, Carl Zuckmayer, Eugène Ionesco,
Jean Genet oder Friedrich Dürrenmatt, sowie die späten Dramen von Thomas
Bernhard. Zu ihm entwickelte sich ab 1974 eine enge persönliche Beziehung, als
sie am Schiller-Theater in Berlin an der Seite von Bernhard Minetti und Rolf
Boysen die Rolle der Generalin in Die
Jagdgesellschaft spielte. In Robert Wilsons Inszenierung des König Lear spielte sie 1990 in
Frankfurt/Main die Titelrolle. Zuletzt war die mit höchsten Auszeichnungen, Theater-,
Film- und Fernsehpreisen geehrte Schauspielerin 1993 bis 1997
am Berliner Ensemble unter der Regie von Heiner Müller und Werner Schroeter zu
sehen (u.a. als Schauspiellehrer in Brechts Arturo
Ui, eine Rolle, die sie von Bernhard Minetti „geerbt“ hatte). Im Jahr 2000,
zwei Jahre vor ihrem Tod, kam – unter ihrer Mitwirkung – Werner Schroeter
filmische Hommage Die Königin heraus.
Die inhaltliche
Geschlossenheit des Nachlasses von Marianne Hoppe, in dem sich ihr langes
Künstlerleben in all seinen Etappen spiegelt, ist besonders selten und bietet der
Theater- und Filmforschung eine reiche Quellengrundlage. Über tausend Briefe
von Theater- und Film-Persönlichkeiten, Schriftstellern und Künstlern sind
darin enthalten, etwa von Gustaf Gründgens, Hermine Körner, Käthe Dorsch,
Therese Giehse, Werner Krauss, Käthe Gold, Elisabeth Bergner, Berthold Viertel,
Helmut Käutner, Jürgen Fehling, Hans Lietzau – oder um einige Namen aus der Gegenwart
zu nennen – Robert Wilson, Claus Peymann und Botho Strauß. Zu den Schreibern
gehören auch Verleger-Persönlichkeiten wie Rudolf Augstein und Axel Springer,
der Philosoph Theodor Adorno und Schriftsteller wie Carl Zuckmayer, Botho
Strauß, Thomas Mann und Golo Mann.
Auch umfassende Konvolute von
Tagebuchaufzeichnungen und persönlichen Notizen bereichern den Nachlass, ferner
Marianne Hoppes durch fast fünf Lebensjahrzehnte geführte Jahreskalender, in
denen sie neben Alltäglichkeiten auch wichtige Ereignisse festhält. Zu nennen
sind auch ihre eigenhändig bearbeiteten Rollen- und Lesemanuskripte, ferner
unzählige Engagement-Verträge und persönliche Unterlagen wie Heirats- und
Scheidungsdokumente. Auch in den Familienbriefen an Marianne Hoppe, in deren
Leben das Berufliche mit dem Privaten stets eng verquickt war, geht es oft um
ihre Aufgaben beim Theater.
Einen besonders wertvollen Bestand
im Nachlass bilden die über 1500 zum Teil sehr seltenen Film-, Theater- und Privatfotos. Klingende Fotografennamen sind hier zu
nennen, etwa Rosemarie Clausen, Willi Saeger, Ruth Wilhelmi, Liselotte Strelow und Rudolf Betz bis hin zu Abisag Tüllmann, Isolde
Ohlbaum und Stefan Moses. Dieser opulente bildliche Teil des Nachlasses, der sich
bis zu den Aufnahmen erstreckt, die 1999 während der Dreharbeiten zu Werner
Schroeters Film Die Königin
entstanden sind, dokumentiert eindrucksvoll das außergewöhnliche schauspielerische
Lebenswerk von Marianne Hoppe.
In Kürze wird über den Bibliotheks-Verbundkatalog eine Übersicht über den Inhalt des
Nachlasses öffentlich abrufbar sein. Die Nutzung des Nachlasses ist für Forschende und Interessierte in
eingeschränktem Maß und unter Beachtung etwaiger Persönlichkeitsrechte damit
schon vor seiner Katalogisierung möglich.

Abbildungsnachweise:
1
Alles Schwindel von
Marcellus Schiffer und Mischa Spoliansky
Marianne Hoppe als Evelyne Hill
Regie: Renato Mordo
Premiere: 31.12.1931, Neues Theater, Frankfurt/Main
(Foto: Ludwig Hirsch)
2
Faust I. von Johann Wolfgang von Goethe
Marianne Hoppe als Gretchen (Umbesetzung für Käthe Gold)
Regie: Lothar Müthel.
Wiederaufnahme: 30.12.1935,
Preußische Staatstheater, Berlin
(Foto: Ruth Wilhelmi)
3
Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe
Bootsfahrt auf dem Zeesener See.
Um 1937
(Foto: Scherl, Berlin)
4
Frau Warrens Gewerbe
von George Bernard Shaw
Marianne Hoppe als Vivie
Regie: Jürgen Fehling
Deutsche Erstaufführung: 6.3.1938, Preußische Staatstheater,
Berlin/Schauspielhaus
(Foto: René Fosshag)
5
Die Verschwörung des Fiesco zu
Genua von Friedrich von
Schiller
Marianne Hoppe als Leonore
Regie: Karl Heinz Stroux
Premiere: 4.4.1941, Preußische Staatstheater,
Berlin/Schauspielhaus
(Fotograf unbekannt)
6
Die Fliegen von Jean Paul Sartre
Marianne Hoppe als Elektra
Regie. Gustaf Gründgens
Deutsche Erstaufführung: 7.11.1947, Städtische Bühnen
Düsseldorf/Neues Theater
(Foto:
Rosemarie Clausen)
7
Endstation Sehnsucht von Tennessee Williams
Marianne Hoppe als Blanche du Bois und Franz Nicklisch als
Mitch
Regie: Bertold Viertel
Deutsche Erstaufführung: 10.5.1950, Staatliche Bühnen
Berlin/Schloßpark-Theater
(Foto: M. Marszalek)